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Oberburger Bands sind reif für die Insel

Text: Cyril Beck (Berner Zeitung vom 19. Mai 2012)

«Wir haben extra Jacken anfertigen lassen - damit sind wir für das englische Schmuddelwetter gewappnet», sagt Peter Grogg. Die Vorfreude sei riesig, fährt der Präsident der 32-köpfigen Brass Band Emmental fort, «endlich können wir im Ursprungsland der Brassmusik spielen. Doch nervös sind wir noch überhaupt nicht». In knapp zwei Wochen gehts mit dem Flieger nach England, am 1. Juni spielt die Band als eine von weit über 100 Formationen am traditionellen Whit Friday in der Nähe von Manchester. Der Anlass findet auf zwölf Ortschaften verteilt statt und ist einer der grössten Brassmusikevents der Welt (siehe unten).

Martin Flückiger (rechts) von der Musik Frohsinn Oberburg nimmt einen Augenschein bei den Kollegen der Brass Band Emmental um Peter Grogg (links)

 

Die Brass Band Emmental um Peter Grogg übt seit etwas mehr als zwei Jahren in der alten Turnhalle in Oberburg - sie sind also «Neo-Oberburger». Mit von der Partie in England werden aber auch «echte» Oberburger sein: Die Oberburger Musik Frohsinn nimmt ebenfalls am Traditionsanlass in Nordengland teil - und dies bereits zum zweiten Mal.

«Unsere erste Teilnahme vor vier Jahren war ein sensationelles Erlebnis: Die Begeisterung der Tausenden Zuhörer in den Strassen ist unbeschreiblich. Für uns war schnell klar: Da wollen wir wieder hin.» Martin Flückigers Kribbeln ist förmlich zu spüren, wenn er über den Anlass spricht. 38 Leute umfasst der Tross der Musik Frohsinn, der im selben Flieger wie die Kollegen der Brass Band Emmental nach England fliegt. Im Unterschied zu diesen haben die Frohsinn-Brasser bereits Erfahrung mit dem speziellen Wettbewerbsformat: «Um 16 Uhr gehts los. Ziel ist, bis Mitternacht in möglichst vielen Dörfern der Region unseren Contestmarsch « Mühledorf» zu spielen. Mit einem Reisebus reisen wir jeweils zum nächsten Auftritt. Unsere Shows werden bewertet, wir wollen natürlich möglichst gut abschneiden», erläutert Flückiger, der die Reise mitorganisiert. Die Band setzt dabei wie schon 2008 auf bewährte Mittel: die Vereinsfahne und Ehrendamen.«Das ist gewissermassen eine Schweizer Spezialität, die die Engländer nicht kennen, das schafft Eindruck.» Die grösste Herausforderung? «Der achtstündige Anlass geht an die Substanz», so Flückiger.

Die Brass Band Emmental ihrerseits hat sich von ihren Kollegen inspirieren lassen und wird ebenfalls mit Ehrendamen aufwarten. Einen Unterschied gibt es allerdings: Sie studieren im Unterschied zu den Oberburgern derzeit zwei Stücke ein, die sie in England präsentieren werden - schliesslich spielen sie auch eine Stärkeklasse höher als die Frohsinn-Brasser.

Die Bands stecken nun mitten in den letzten Vorbereitungen für die Reise auf die Insel. Doch: Wie kommen sie überhaupt dazu, dort zu musizieren? Bei der Musik Frohsinn, die nun zum zweiten Mal antreten wird, war ein Mitglied der Brassband «schuld». Dieses pflegt gute Beziehungen nach England, sagt Martin Flückiger. Die Whit-Friday-Neulinge der Brass Band Emmentaler haben durch die Frohsinn-Brasser vom Anlass erfahren: «Sie machten uns gluschtig. Vor drei Jahren versuchten wir schon einmal, die Reise auf die Beine zu stellen, aber zu viele Musiker konnten nicht frei nehmen, so liessen wir es bis jetzt sein», erklärt Peter Grogg. Nun hat es auch für die Emmentaler Brasser geklappt. Und das ist nicht selbstverständlich: Alle Musiker zahlen die Reise natürlich selber.

 

Die Anfänge

Die Wurzeln der Blechkapellen (das englische Wort «Brass» bedeutet «Messing») liegen im England des 19.Jahrhunderts. Dort entwickelte sich die Brassrnusik im Takt der Industrialisierung und als Kind der Arbeiterbewegung. Viele Unternehmer gründeten firmeneigene Brassbands, denn die starke Beanspruchung der Atemorgane sollte die Gesundheit verbessern und die allgegenwärtigen Lungenkrankheiten unter der Arbeiterschaft in den Kohlebergwerkregionen mildern. Ab 1880 musste zudem jeder britische Soldat in einer Heilsarmee Blechblasmusik spielen - die noch heute wohlbekannten Heilsarmee-Bands trugen so ebenfalls zur Popularität der Brassmusik bei.

Schnell entwickelte sich auch das Wettbewerbswesen: An zahlreichen Contests buhlen Brassformationen seit den Anfängen um Ehre und Preisgelder, so auch am Whit Friday in der Nähe von Manchester, der in traditionelle Pfingstfestivitäten eingebettet ist.

 


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